Warum nutzen wir für @digitalpast eigentlich Twitter und nicht auch Facebook, welches eine deutlich größere Nutzerbasis hat? Könnte man darüber nicht noch mehr Leute erreichen?
Im Prinzip ist es kein Problem, die Tweets auch auf Facebook zu veröffentlichen. Die übliche Software erlaubt es einem meistens, die Beiträge mit wenig Mehraufwand auf mehreren Plattformen zu veröffentlichen. Es gibt auch Dienste, die automatisiert Facebook-Posts aus Tweets erstellen und umgekehrt.
Das Problem liegt in der Struktur von Facebook. Dessen Geschäftsmodell ist es nämlich, im Kern einen kaputten RSS-Reader anzubieten. Wer eine Seite liket, bekommt nicht alle Beiträge von ihr zu sehen, sondern nur einen Teil. Der Edge-Rank bestimmt, welche Beiträge im Newsfeed des Users auftauchen. Facebook formuliert das so:
Der Neuigkeiten-Algorithmus ermittelt Hauptmeldungen mithilfe von verschiedenen Faktoren wie der Anzahl der Kommentare, dem Nutzer, der die Meldung gepostet hat, sowie der Art des Beitrags (z. B. Foto, Video oder Statusmeldung).
Dieser Algorithmus erklärt auch, warum die Betreiber von diversen Seiten ständig zum liken, sharen und kommentieren aufrufen – eine höhere Nutzeraktivität führt dazu, dass die Beiträge sichtbarer werden. Facebook bietet auch die Möglichkeit, einen Beitrag gegen Zahlung eines gewissen Geldbetrages allen Abonnementen der Seite anzuzeigen.
Für ein Projekt wie @digitalpast bedeutet dies aber, dass Facebook schlicht und einfach nicht geeignet ist. Wenn nur ein kleiner Teil der Beiträge bei den Usern sichtbar sind und wir noch nicht einmal beeinflussen können, welche, dann verlieren wir die Kontrolle über den Inhalt des Projektes. Wir müssten Facebook Geld zahlen, um diese Einschränkungen zu umgehen und unsere Beiträge allen Lesern anzuzeigen. Aber auch dies würde nicht bedeuten, dass die Beiträge wie auf Twitter „sekundengenau“ verbreitet und gelesen werden – und genau das ist ja der Clou bei einem Reentweetment-Projekt. Facebook ist daher für solche Projekte gänzlich ungeeignet, da der Leser nur einen Bruchteil mitbekommen würde.
Wir haben aber trotzdem eine Facebook-Seite eingerichtet – dort berichten wir allerdings nur über das Projekt selbst, verlinken Medienartikel und verweisen auf dieses Blog. Die eigentlichen Beiträge bleiben hingegen exklusiv bei Twitter.
Wir haben bei der Planung des Projektes auch andere Soziale Netzwerke ins Auge gefasst, diese dann aber verworfen. Google Plus, Ello & Co besitzen einfach nicht die Nutzerbasis, um den Mehraufwand zu rechtfertigen. Wir hätten unser Projekt allerdings gerne auf WhatsApp gebracht. Nachrichten über den Krieg direkt auf dem Handy sind ein Format, das definitiv funktionieren kann. Die Heilbronner Stimme hat dies am 4. Dezember 2014 auch anhand der Bombardierung Heilbronns durchgeführt und über 2500 Nutzern den Verlauf des Bombenangriffs direkt auf das Handy geschickt. Der Aufwand dafür war aber immens:
Jede einzelne Nummer mussten wir nämlich ins Adressbuch aufnehmen. Von Hand, auf einem Smartphone. Zwei Leute haben das abwechselnd gemacht und dafür sicher zehn Stunden gebraucht. Wir haben die Adressbucheinträge systematisch durchnummeriert, um den Überblick nicht zu verlieren. Dann haben wir immer 250 Nummern in eine Broadcast-Liste aufgenommen (eine Broadcast-Liste kann 256 Nummern speichern). Am Ende hatten wir zehn Broadcast-Listen, die wir von einem einzigen Smartphone aus parallel mit den Inhalten befüllen mussten.
Dazu kommt, dass sich WhatsApp bislang nicht sinnvoll automatisieren lässt. Jeder Beitrag müsste daher zeitgenau manuell verschickt werden. Für ein einziges Ereignis wie einen Luftangriff ist dies zu bewältigen, bei einem Projekt, das sich über mehrere Monate erstreckt und bei dem viele Ereignisse mitten in der Nacht geschehen, ist dies aber unrealistisch. Daher scheidet leider auch WhatsApp als Plattform aus.