Verordnung über die öffentliche Fürsorge für Juden
vom 19. November 1938.
Auf Grund des § 6 Abs. 1 Satz 1 der Fürsorgepflichtverordnung und des § 11 des Gesetzes über Kleinrentnerhilfe vom 5. Juli 1934 (RGBl. I. S. 580) wird verordnet:
Artikel 1. Hinter § 35 der Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge vom 1. August 1931 (RGBl. I. S. 439) wird folgender § 35a eingefügt:
§ 35a. (1) Juden (§ 5 der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935, RGBl. I. S. 1333) sind im Falle der Hilfsbedürftigkeit auf die Hilfe der jüdischen freien Wohlfahrtspflege zu verweisen. Soweit diese nicht helfen kann, greift die öffentliche Fürsorge ein. Die Voraussetzungen der Hilfsbedürftigkeit sind streng zu prüfen. Gewährt werden Unterkunft, Nahrung, Kleidung, Krankenpflege, Hilfe für Gebrechliche sowie für Schwangere und Wöchnerinnen Hebammenhilfe und, soweit erforderlich, ärztliche Behandlung. Nötigenfalls ist der Bestattungsaufwand zu bestreiten. Die in diesen Grundsätzen insbesondere unter B vorgesehene weitere Hilfe wird Juden nicht gewährt; auch die Zuwendungen der jüdischen freien Wohlfahrtspflege sind bei Prüfung der Hilfsbedürftigkeit voll anzurechnen. § 35 gilt nicht für Juden.
(2) Eine über Abs. 1 hinaus gehende Hilfe kann Juden gewährt werden, wenn sie die Auswanderung fördert oder sonst im öffentlichen Interesse liegt.
(3) Auf schwerkriegsbeschädigte Juden sind die §§ 18 bis 32 anzuwenden.
Artikel 2. Das Gesetz über Kleinrentnerhilfe vom 5. Juli 1934 (RGBl. I. S. 580) und die Verordnung zur Ergänzung dieses Gesetzes vom 24. Dezember 1937 (RGBl. I. S. 1415) gelten nicht für Juden.
Artikel 3. Diese Verordnung tritt am 1. Januar 1939 in Kraft.
Berlin, den 12. November 1938.
Der Reichsminister des Innern
Frick
Der Reichsarbeitsminister
Franz Seldte
Der Reichsminister der Finanzen
Graf Schwerin von Krosigk